Das Gleichgewicht (1)

19. Juni 2025 | Ganzheitlich gesehen

Photo: Hans/Pexels

Das Gleichgewicht (1)

Das YinYang-Symbol ist das alte Zeichen für das Gleichgewicht des Lebens. Am 21.6. , der längsten Tageslichtphase im Jahreskreislauf, befinden wir uns am Scheitelpunkt,  ganz oben. Das höchste Yang! Und schon einen Augenblick später ist es damit vorbei, und wir befinden uns an einem anderen Punkt im YinYang. Dieses Zeichen ist genial- in diesem Beitrag möchte ich das Gleichgewicht betrachten, ist es doch ein Grundprinzip des­ Lebens.

Die ersten Schritte

Als Kind, während des Laufenlernens, ist es noch eine große Sache, ganz kurz sogar die Hauptsache (die ersten Meter!). Je sicherer die Schritte werden, desto weniger Aufmerksamkeit ist notwendig, und in unseren gewöhnlichen Alltagsbewegungen ist uns später nicht mehr bewusst, dass uns ein ausgefeilter Mechanismus unseres Körpers permanent davor bewahrt, nicht umzufallen. Nicht umsonst haben Kinder noch diesen Drang, zu balancieren – der Gleichgewichtssinn muss trainiert werden. Irgendwann, wenn wir dann erwachsen und vernünftig geworden sind, balancieren wir seltener, zumindest nicht nur um des Balancierens willen. Aber vielfältige Freizeitaktivitäten bringen uns absichtlich an den Rand des Gleichgewichts – manche lieben es, andere meiden es.

Ist Gleichgewicht ein Zustand?

Möglicherweise ist es eine Illusion, sogar eine hinderliche, zu glauben, man könne im Gleichgewicht sein. Gleichgewicht ist kein Zustand, der erreicht wird und dann erhalten bleibt. Selbst ein Stein, der auf der Erde liegt, verändert seinen Bezug zur Umgebung. permanent, wenn auch im für menschliche Maßstäbe unmerklichen zeitlichen Bereich. Denn das ist es, worum es geht, für jedes Wesen und jedes Ding auf der Welt: sich ständig im Bezug zur Umwelt zu befinden und daran auszurichten. Das Ziel dieser Ausrichtung ist die größtmögliche Balance. Habe ich sie erreicht, verliere ich sie im gleichen Augenblick wieder, um sie erneut zu erreichen. Es ist eine Bewegung und kein Zustand. Tatsächlich hat jede einzelne unserer Handlungen das Ziel, einem Gleichgewicht näher zu kommen.

 Mehr oder weniger!

Dieses Gleichgewicht ist nicht nur ein körperliches. Auch emotional und mental suchen wir die Ausgeglichenheit. Jede einzelne unserer Handlungen und Entscheidungen haben das Ziel dieser Balance näher zu kommen: ich bin hungrig, also esse ich etwas; ich bin müde, also schlafe ich; ich fühle mich allein, also suche ich den Kontakt; ich finde keine Lösung, also denke ich in eine andere Richtung. Es geht um Mehr oder weniger, allerdings auch um ein sowohl als auch. Dieses Prinzip lässt sich wunderbar an unserem Hormonsystem veranschaulichen. Zu jedem Botenstoff gibt es auch einen Gegenspieler. Der eine fördert, der andere hemmt. So ist eine größtmögliche Feinabstimmung möglich. Es gibt in jeder Situation die Option, in die eine oder die andere Richtung zu reagieren.

Der Widerspruch

Die Lehre der fünf Wandlungphasen in der chinesischen Medizin bietet hier ein hilfreiches Bild: die einzelnen Phasen fördern und kontrollieren sich gegenseitig. Unsere Struktur gebenden Kräfte (Metall) kontrollieren unsere Entfaltungskräfte (Holz) und werden ihrerseits kontrolliert vom Feuer, das unsere Fähigkeit zu Begeisterung repräsentiert. So wird dafür gesorgt, dass keine Phase zu dominant wird. In den Behandlungstrategien finden sich aus diesem Grund oft Intentionen, die sich scheinbar widersprechen, in Wirklichkeit aber nur gegenseitig austarieren.

Beweglich bleiben!

Damit diese kontinuierliche Ausrichtung funktionieren kann, müssen wir eins tun: in Bewegung bleiben. Körperlich, mental und emotional. Der Gegenspieler zur Bewegung ist der Stillstand. Auch hier streben wir Balance an und es ist uns Menschen ein Bedürfnis, Dinge und Umstände ‚sicher‘ zu haben. Das ist unproblematisch, solange dieses Bedürfnis nach Sicherheit und Gewohnheit uns nicht daran hindert, offen für neue Umstände zu sein, denn nichts ist nicht in Bewegung und wir können nur lebendig sein, wenn wir uns mitbewegen.

Standhaft und flexibel

Es ist eine innere Haltung: betrachte ich Einflüsse und Ereignisse (also das, was mir ‚passiert‘) als Angriff auf mein Gleichgewicht und vermeide ich diesen, oder empfinde ich diese Einflüsse und Ereignisse als Herausforderungen zum Wachstum und gehe mit? Trainiere ich meinen Gleichgewichtssinn mithilfe des Lebens oder werde ich so fest und wehrhaft wie möglich, mit der Gefahr der Versteifung? Auch hier gilt es, ein Gleichgewicht zu finden, denn keins von beidem ist falsch. Beides hat seine Funktion.

Das Bild eines gut verwurzelten Baumes illustriert dies: fest in seiner Position, aber doch flexibel gegen Einflüsse von außen. So kann ich mich in den Wind des Lebens stellen und mal in die eine Richtung und mal in die andere geweht werden, mal sanft, mal heftig. Diese Bewegungen und Einflüsse machen mich stark (und schön…). Und ja, die Möglichkeit zu fallen besteht. Aber ist das ein Grund, jedem Wind aus dem Weg zu gehen?

Von der Mitte an den Rand

In der Mitte ist es sicher, je näher ich an den Rand komme, an die Grenze trete, desto aufregender wird es. Ich kann meine Grenze nur erweitern, wenn ich sie berühre. Das, was mir passiert, bringt mich dorthin. Danke!

……wenn es keine Grenze mehr gibt, gibt es auch keine Mitte mehr……

 

Sonnenwende | YinYang
19. Juni 2025