Dunkle Tage voller Leben

Das Dunkle, die Dunkelheit hat einen schlechten Ruf. Viele Assoziationen und Sprichwörter sind negativ verknüpft: „im Dunkeln stehen‘,‘ schwarz sehen‘, ‚ dunkle Zeiten‘.

Dunkelheit macht uns Angst, denn dann haben wir keine Kontrolle über das was geschieht, weil wir es nicht sehen können. Wir sehnen uns nach Licht, Beleuchtung und Erleuchtung. Dabei vergessen wir, dass die Dunkelheit ebenso zum Lebensrhythmus gehört wie zum Beispiel das Ein – und Ausatmen oder das Schlafen und Wachen.

Dunkelheit und Chinesische Medizin

In der Chinesischen Medizin ist die Dunkelheit dem Yin zugeordnet, unseren Ruhe- und Basiskräften. Der Winter ist die Zeit des tiefsten Yin, die Farbe ist – schwarz. Diese Einordnung führt uns auch zum Wert der Dunkelheit:
Wenn es dunkel ist, ruhst du, denn Handlungen sind nur sehr begrenzt möglich. Du kannst wieder aufladen. Es gibt keine Ablenkung, das Einzige, was dir bleibt, bist du selbst. Du kommst dir selbst näher, du spürst dich und weil du im Außen nicht sehen kannst, schaust du nach innen. Der Kontakt mit deinen dunklen Seiten, deiner Schwere ist plötzlich möglich und du kannst verborgenen Schätze in dir entdecken.

Neue Formen deines Selbst können beginnen zu keimen.

Nicht zufällig sind in alten fernöstlichen und auch schamanischen Traditionen die Jahreszeiten mit weniger Tageslicht dem Rückzug gewidmet. In vielen spirituellen Schulen ist die Dunkel- Meditation über Tage oder Wochen und Monate in völliger Dunkelheit ein Weg zur Erleuchtung. Wie sehr das Licht vom Dunkel abhängt, können wir auch an unseren Augen erkennen. Sie werden auch Lichtorgane genannt, weil sie das Licht benötigen um zu sehen, aber tatsächlich ist die Dunkelheit für unsere Sehzellen ebenso essenziell, denn nur im Dunkeln regenerieren sie sich. Das ist auch der Grund, weswegen die wichtigste Augenübung nichts mit Sehen zu tun hat: das Palmieren. Diese Übung ist so wertvoll, dass ich sie hier kurz erkläre, es finden sich aber auch im Netz zahlreiche Anleitungsfilme:

Das Palmieren

Mache es dir bequem in aufrechter Position und bedecke deine geschlossenen Augen mit deinen Handflächen, so dass es wirklich dunkel wird in deinem Kopf.  Damit verminderst du augenblicklich die Menge der Sinneseindrücke um 80 % (so groß ist der Anteil der visuellen Eindrücke) und es kann still werden in dir. Jede einzelne Sehzelle kann sich regenerieren, jeder Muskel am und im Auge kann sich entspannen. Und dein Gehirn hat Pause. Diese Übung ist sehr wirkungsvoll, täglich 10 min wären ein guter Einstieg.

Es ist für unser persönliches Wachstum sehr hilfreich, die Furcht (wenn sie denn vorhanden ist) vor der Dunkelheit zu überwinden und sich dieser neugierig zuzuwenden und abzuwarten, was aus ihr auftaucht. Dazu braucht es nicht immer eine Dunkelzelle- es reicht schon, ab und zu auf Ablenkung durch Lichtquellen zu verzichten (tatsächlich bestehen unsere Hauptablenkungen heute aus Lichtquellen in Form von Bildschirmen) und vielleicht einfach nur zu atmen. Nichts anschauen. Palmieren wäre eine gute Sache…..

Im Dunkeln findet die Vorbereitung für unsere nächste aktive Phase statt, im Kleinen ( Nacht und Tag) wie im Großen (Winter-Frühjahr). Wenn wir die ruhende, aufladende Qualität des Winters nutzen und nicht mehr tun als unbedingt notwendig, können wir frisch und kraftvoll aus dem Dunklen hervortreten und weiterwachsen.