Ein Schwert, ein Königreich für ein Schwert!
Ich brauche dringend ein Schwert. Eine scharfe Klinge, die mir hilft, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und eine Struktur und Ordnung in den Gedankendschungel zu bringen, der meinen Kopf verstopft.Eine Kraft, welche die Essenz, das Gold, den Diamanten destilliert. Ohne diese Kraft würde dieser Text am Ende eine Lesezeit von ca 36 Stunden haben, denn es geht um nichts weniger als die Wandlungsphase Metall in der Chinesischen Medizin (CM) und ihre praktische Bedeutung für uns Menschen.
Wandlungsphase?
In der CM wird das Leben als Bewegung und Entwicklung erfasst und beschrieben. Alles Lebendige durchläuft Phasen vom Entstehen über das Reifen bis zum Vergehen, und diese Phasen haben in der CM feste Zuordnungen (Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser). Die westliche Übersetzung dafür ist oft „Element“, das ist irreführend und nicht ganz richtig, es geht schließlich um dynamische Bewegung und nicht um feste Bestandteile. Jede Wandlungsphase hat energetische Qualitäten, Bedeutungen und für uns Menschen auch Themen: Jahreszeiten, Organe, Emotionen, Sinne, Geschmäcker, Farben usw. Es ist ein Modell der Organisation des Lebens, entstanden aus der Beobachtung der Natur. Und es ist sehr nützlich für uns, diese Qualitäten zu kennen.
Der Herbst ist Metallzeit!
Mit dem Herbst beginnt die Wandlungsphase Metall, und ein grundlegender Charakter des Metalls ist die Konzentration auf das Wesentliche, die Essenz- wie das Gold im Erdreich. Und, wie oben beschrieben, könnte ich wirklich sehr viel zu all den Themen und Aspekten dieser Energie schreiben, alles was ich weiß, was ich denke, was ich fühle- aber ich habe das Schwert in der Tastatur und trenne. Einen Teil hebe ich mir für nächsten Monat auf, heute konzentriere ich mich auf einen (oder zwei) bedeutsamen Aspekt für unseren Alltag.
Assoziationen zu Metall in der CM
die Oberflächen-bzw Kontaktorgane wie Lunge, Dickdarm und Haut gehören zum Metall. Die Fähigkeit, Ordnung zu bewahren. Das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Wert, Selbstwert und Besitz (Gold!). Rhythmus und Struktur (Atmen!). Loslassen, Trauer und Melancholie. Kontakt, Abgrenzung und Einsamkeit. Instinkt und Inspiration. Schönheit und Reinheit. Fokus und Disziplin. Klarheit im Denken und Handeln. Fanatismus und Dogma. Das Riechen.
Diese Assoziationen sind insofern hilfreich, dass wir bei Schwierigkeiten oder Ungleichgewichten in einem dieser Bereiche (oder bei Erkrankungen der Organe) eine Orientierung haben, eine Idee, wie wir unsere Situation verändern können. Hat ein Mensch z.B. mit seiner eigenen Unordnung zu kämpfen und möchte er das verändern, wird er sich zunächst zwingen, aufzuräumen. Das ist aber immer anstrengend, selten erfolgreich und nie nachhaltig. Dieser Mensch könnte auch auf die eine oder andere Art sein Lungen-Qi stärken. Ein stärkeres Lungen-Qi wird letztendlich „wie von allein“ die Veränderung bewirken. ( ein sehr vereinfachtes Beispiel. Die Wirklichkeit ist meist komplexer). Und nun werfe ich eine Münze ( aus Metall), denn jeder dieser Aspekte verdient Vertiefung, ich muss also eine Entscheidung treffen, um im Rahmen zu bleiben.
Es haben gewonnen: Abgrenzung und Instinkt
Abgrenzung
Wie ich oben schrieb, sind unsere Kontaktorgane Lunge, Dickdarm und Haut dem Metall zugeordnet. Sie stellen die körperliche Grenze zwischen dem Individuum und der Welt dar. Grenzen haben zwei Funktionen: sie sollen herein- und herauslassen.(gäbe es keine Grenze, kann auch nichts herein oder heraus, weil du bist dann ja ich, und damit schon drin.).
Abgrenzung ist ein beliebtes Thema, und wir sollten uns auf allen Ebenen darin üben. Vorher ist es aber wichtig, zu verstehen, worum es eigentlich geht. Denn wenn ich unter Abgrenzen „verschließen“ verstehe, dann bin ich zwar in Sicherheit, aber leider auch einsam, weil ich keinen Kontakt zur Welt habe. Keine gute Lösung also- undurchdringliche Grenzen sind nicht die Sache der Lebendigen. Ich muss also lernen, selbst zu entscheiden, wer meiner Grenze wie nah kommen darf. Das klingt nach aufpassen und Anspannung, aber nur wenn ich militaristisch und mit Angst denke. Wenn ich ganzheitlich handele, kann ich auf eine andere Art Distanz schaffen:
Ich entspanne mich. Indem ich nicht über jedes Stöckchen springe, das mir hingehalten wird. Indem ich Körperübungen mache, die meine Lunge weiten. Indem ich atme. Indem ich mir mit Bewegung Raum verschaffe.Denn das Prinzip ist folgendes: wenn ich mich entspanne, werde ich weit.Wenn ich mich anspanne, werde ich eng. Mit der Weite aber entsteht auch Distanz zu allem anderen. Ich kann beobachten, stehe aber nicht im Sturm der Welt. Das ist eine sehr gesunde Form der Abgrenzung, und ich habe wie immer einen Vorschlag, dies im Alltag umzusetzen:
No news
Fasten Sie doch mal- aber auf eine andere Art. Verzichten Sie 7 Tage lang auf jeglichen Gebrauch von tagesaktuellen Medien. Keine Online-Nachrichten, keine Zeitung, kein Radio. Denn auch von unserer Informationsfülle können wir uns abgrenzen, von unseren Verstrickungen mit der gesamten Welt. Das ist zu viel und missachtet unsere Grenzen. 99,99 % aller Nachrichten haben keinen unmittelbaren Bezug zu unserem Leben.
Wenn wir etwas weglassen, ist es natürlich hilfreich, einen Ersatz zu haben, sonst halten wir das nicht durch. Mein Vorschlag, auch aus eigener Erfahrung, ist ein metallischer:
immer wenn Sie normalerweise mal kurz durch ihr smartphone scrollen würden, befassen Sie sich doch mit etwas Schönem: hören Sie ein schönes Musikstück.
Schauen sich Malerei an (nicht mit dem Smartphone).
Oder lesen ein Gedicht ( 100 % Metall: Hermann Hesses „Stufen“).
Oder, selbstverständlich: gehen Sie in die Natur.
Und atmen und spüren die frische Luft, die im Herbst besonders frisch ist.
Dein Instinkt
Instinktiv wechsle ich vom „Sie“ zum „Du“, dann sind wir uns näher. Dein Instinkt ist das dir Nächste, was dir zur Verfügung steht. Es ist dein individuelles Wissen über deinen nächsten Schritt. Niemand sonst kennt ihn, niemand kann dir raten, niemand hat deinen Instinkt. Er ist nur für dich da. Der Instinkt war mal wichtig für das Überleben, er führte uns zum Wasser oder weg vom Tigerpfad. Heute haben wir Versicherungen. Wir müssen nicht mehr wissen, und vielleicht ist deswegen auch der Kontakt zu unserem eigenen Weg schwieriger, undeutlicher geworden. Auch das ist eine Metall-Qualität: instinktiv zu wissen, was für mich wichtig ist und was nicht. Keine Nachrichten zu benötigen, um zu wissen, wonach ich mich richte.
Zu wissen, was in meinem Leben gehen darf, und was bleiben.
Es wäre ein wichtiger Schritt, in Angesicht der Fülle unserer Möglichkeiten, wieder zu lernen, diesen Kompass zu benutzen, denn er steht uns ja zur Verfügung. Die oben vorgeschlagene Übung des Medienfastens ist ein effektiver Weg dorthin. Durch das Abstellen des Getöses der Welt komme ich mir selbst näher. Ich bin immer wieder verblüfft, welche Wirkung die Informationsbegrenzung auf die eigene innere Klarheit hat. Solltest du also gerade nicht so recht wissen, was dein nächster Schritt ist und was wirklich wichtig für dich ist- probiere es aus, es lohnt sich und es funktioniert.
Ich wünsche allen einen zauberhaften Herbst mit fallenden Blättern, frühen Nebeln, mit notwendigen Abschieden, mit vielen Samen für das Neue!
Und wenn du dich mit mir und anderen über dieses Thema austauschen möchtest- der Online Talk heißt „Der Fluss in den ich springe“ und findet monatlich statt. Wenn du dich für meinen Newsletter anmeldest, bekommst du die Daten und den Zugang. Ich freu’ mich!