Stille Wasser, dunkles Licht

Ach, der Winter! Es ist still, es ist dunkel, es ist langsam, es ist kalt…..es kann schön sein!

Wir befinden uns in der Wandlungsphase (WP) Wasser.
(zur Erläuterung der chinesischen Wandlungsphasen:bitte den Oktober-Artikel zum Herbst lesen ).
Das Wasser ist die energetische Qualität des Winters, mit allem was dazu gehört, und wie immer geht es uns Menschen besser, wenn wir mit diesen wandelnden Qualitäten mitgehen, statt zu versuchen, immer gleich zu bleiben.
Wie das mit dem Winter und dem Wasser geht soll dieser Text beschreiben.

Dein Selbst-Bewusstsein

Der Winter bietet uns die Gelegenheit, mit unserem eigentlichen Wesen, mit unserer Essenz in Kontakt zu kommen. Während wir im Sommer umherspringen und uns an der Welt erfreuen, ziehen wir uns jetzt in die Stille zurück und erkunden unsere Innenwelt.

An dieser Stelle ein Vorschlag zur praktischen Umsetzung: normalerweise vermeiden wir die Dunkelheit (es gibt sogar ein Wort für dieses Vermeiden: Lichtverschmutzung).
Dabei ist Dunkelheit ebenso ein Geschenk wie das Licht! Dunkelheit verhindert, dass wir uns mit unserer Aufmerksamkeit nur im Außen befinden. In der Dunkelheit kannst du dich selbst besser sehen, dir deiner selbst bewusst sein. Daher schließen wir beim Meditieren oder in Momenten hoher Konzentration (oder intensiven Genusses) die Augen- um näher bei uns selbst zu sein. Mache eine Erfahrung daraus! Suche dir eine Aktivität, für die du nicht sehen musst, z.B. Musik hören. Oder Yoga machen. Oder auf dem Sofa sitzen und Nichtstun. Normalerweise würdest du dir , wenn es draußen dunkel ist, Licht anmachen. Versuche es ohne. Mache es so dunkel wie möglich. Der Winter hilft dir dabei, indem die Sonne schon nachmittags untergeht. Versuche, eine Stunde im Dunkeln zu sein. Spüre dich, beobachte deine Gefühle. Was passiert, wenn das Außen verschwindet und nur du übrig bleibst?*
Du kannst dir deiner selbst bewusst sein, deiner Selbst außerhalb der Ideen, die du von dir hast, und die andere von dir haben. Das ist interessant und befreiend und führt zu einer ganz anderen Art von Selbstbewusstsein. Du musst dir und anderen weniger
vormachen. Du kannst sein, wie du bist. Das ist das Thema des Wassers, des Winters.

Kleiner Exkurs in die Welt des Sehens: so sehr unsere Sehzellen das Licht zum Sehen benötigen, so sehr benötigen sie die Dunkelheit, um zu regenerieren. Das gilt auch für unser gesamtes Sein.

Die Angst

Auch die WP Wasser hat eine zugeordnete Emotion, und das ist die Angst. Angst ist eine unserer tiefsten Emotionen und sie bestimmt unser tägliches Verhalten mehr, als uns bewusst ist.

Oft gehen wir nicht so weit, wie wir könnten, aus Angst, zu weit zu gehen.**

Je besser wir unsere Ängste kennlernen, desto weniger Beeinträchtigung haben wir durch sie, weil wir lernen können, mit ihnen umzugehen oder sie zu verwandeln.
Kennenlernen heißt, uns ihrer bewusst zu werden.
Angst hat sehr viele Aspekte, zu viele, um sie in diesem Artikel vollständig zu behandeln. Daher gehe nur ich auf einen, allerdings sehr aktuellen Aspekt ein. In der CM ist es nämlich so, dass Angst unsere Heilkräfte lähmt und blockiert. In einem privaten Rahmen gab es neulich die Umfrage, wie Menschen eine Covid19-Erkrankung überstanden haben. Neben vielen praktischen Tipps war eine häufige Aussage, dass das größte Problem für die Befragten das sog „Kopfkino“ war. Kopfkino ist ein anderes Wort für Angst. „Schafft mein Körper, mit dem Virus fertig zu werden? Bin ich stark genug? Muss ich ins Krankenhaus? Überschätze ich mich? Muss ich sterben ?“
So spricht die Angst, und sie behindert unsere innere Heilkraft in ihrer Wirksamkeit.
Es ist also ein aktiver Beitrag zu meinem Gesundsein, wenn ich mich mit meiner Angst befasse. Wie aber mache ich das? Zunächst einmal fühle ich sie, wende mich ihr zu. Und dann habe ich die Möglichkeit, sie entweder zu kontrollieren oder aber sie zu verwandeln. Die CM hat dafür ein Konzept:
die Kontrolle erfolgt über die Ratio oder über die Geborgenheit. Wer sich geborgen fühlt, hat weniger Angst, unser Verstand wiederum kann das Monster neu bewerten und somit verkleinern.
Die Verwandlung erfolgt über den Mut, den Mut zu handeln, und über das Selbstbewusstsein ( das ist das, was wir bei der Dunkelübung entdeckt haben könnten).
Ich liebe die Chinesische Medizin. Sie wirkt, und sie gibt uns den Schlüssel zum eigenen Handeln ( heißt hier: du kannst für mehr Geborgenheit sorgen, du kannst dir Handlungsmöglichkeiten bereithalten für den Fall des Falles und du kannst dir mit Hilfe nackter Zahlen ausrechnen, wie wahrscheinlich das Eintreten deiner Befürchtungen ist).

Übrigens wäre es aus meiner (ganzheitlichen) Sicht nicht so verkehrt, wenn wir uns auch auf gesellschaftlicher Ebene mehr mit unseren kollektiven Ängsten befassten. Eventuell könnten wir dann auch etwas klarer sehen.

Ich wünsche dir viel Selbst-Bewusstsein in diesen dunklen, schönen Tagen.

Und dann wird es wieder hell.

*( Hinweis: es gibt auch „echte“ Dunkelretreats, die in vollkommener Dunkelheit stattfinden und über Tage gehen können. Dafür braucht es viel Erfahrung und evtl sogar Begleitung. Ich schlage hier eine kleine Variante davon vor, denn auch diese ist möglicherweise sehr erhellend. Man verzeihe mir dieses kleine Wortspiel).

**Kredit: dieser Artikel ist auch inspiriert von Dr. Christopher Minar, der eine wunderbare Arbeit zur Verbreitung der Chinesischen Medizin macht: www.deskaisersmedizin.com